So nutzt du Kurslücken (Gaps) für dein Trading

So nutzt du Kurslücken (Gaps) für dein Trading

Veröffentlicht am 04.05.2023 | Lesedauer: 15 Minuten

Von Jan Fuhrmann

Kurslücken (Gaps) und Trading

▲ Lücken (Gaps) im Chart | Hier liegt die Power

Kurslücken (Gaps) sind ein wichtiger Bestandteil von jeder vollumfänglichen Chartanalyse, denn sie zeigen nicht nur die Stärke eines Trends an, sondern offenbaren zugleich auch wichtige Unterstützungen und Widerstände. Aktien reagieren heute punktgenau auf Kurslücken (Gaps), die teilweise vor Jahren entstanden sind - es liegt also nahe, dass man auch im Trading mit entsprechenden Strategien von den sogenannten Trading Gaps profitieren und Gewinne erzielen kann.

Was sind Kurslücken?

Bedeutung von Kurslücken (Trading Gaps)

Ein technischer Analyst widmet sich der Analyse der Marktteilnehmer und betrachtet dafür unter anderem die Kerzen in einem Chart, denn diese zeigen die Interaktionen von Käufern und Verkäufern – also letzten Endes den Kurs. Neben den sichtbaren Kursbewegungen gibt es allerdings auch “unsichtbare” Bewegungen, die allerdings nicht zu vernachlässigen sind – ganz im Gegenteil. Die Rede ist von Kurslücken, auch Gaps genannt, die das Resultat einer extremen Stärke der Käufer oder Verkäufer sind. Kurslücken zeigen zudem nicht nur die Kraft der einen Seite der Marktteilnehmer, sondern dienen auch als relevante Unterstützungen und Widerstände. Diese können nach kurzer Zeit oder erst nach einigen Jahren ihre starke Wirkung entfalten, wenn der Kurs die Lücken schließt. Eines von unzähligen Beispielen dafür ist Carl Zeiss Meditec, welche nach zwei Jahren mehrmals auf eine alte Kurslücke reagierte und dort den Abverkauf vorerst stoppte.

Wie entstehen Kurslücken?

Kurslücken (Gaps) können grundsätzlich in allen Märkten entstehen, die nicht 24/7 (24 Stunden, 7 Tage die Woche) gehandelt werden. Hier gibt es die Möglichkeit, dass sich außerhalb der Handelszeiten ein enormer Kauf- oder Verkaufsdruck aufstaut, der zum neuen Handelsbeginn am nächsten Handelstag kompensiert werden muss, was sich dann in Form eines höheren oder tieferen Eröffnungskurses zeigt. Gibt es bei einer Aktie bspw. positive News, gute Quartalszahlen oder ein anderes Ereignis nach Handelsschluss (also außerhalb der regulären Handelszeiten), dann warten nicht alle Marktteilnehmer bis zum Handelsbeginn am nächsten Tag und beginnen erst dann die News einzupreisen. Warum sollte einer von ihnen bereit sein denselben Kurs wie am Vortag zu akzeptieren, wenn bspw. unerwartet gemeldet wurde, dass ein Unternehmen den Gewinn um 20 % steigern kann?

Neuigkeiten dieser Art haben Auswirkungen auf die Balance zwischen Angebot und Nachfrage und führen dazu, dass die Eröffnung am Folgetag vom Schlusskurs am Vortag abweicht. Die Differenz zwischen diesem Schlusskurs und dem darauf folgenden Eröffnungskurs ist eine Kurslücke. Dasselbe kann im bearishen Szenario genauso mit einer Abwärtslücke passieren, bei der der Eröffnungskurs dann unter dem vorherigen Schlusskurs liegt. In der Regel ist das Handelsvolumen an diesem Tag mit der Lücke besonders hoch.

Lediglich Kryptowährungen sind bei Kurslücken (Gaps) außen vor, denn diese werden jeden Tag rund um die Uhr gehandelt. Im Tageschart knüpft also jede Kerze genau an die vorherige Kerze an. Im Forex-Markt (Markt für Währungspaare, bspw. das bekannteste Währungspaar EURUSD) oder auch bei Rohstoffen treten Kurslücken seltener auf, aber sind ebenfalls möglich. Da hier am Wochenende kein Handel stattfindet, gibt es zwei handelsfreie Tage, an denen sich Kauf- oder Verkaufsdruck aufstauen kann. Bei Aktien und Indizes gibt es hingegen jeden Tag nur bestimmte Handelszeiten, die von Börse zu Börse variieren. Im Tageschart können hier also generell Lücken auftreten, vorausgesetzt es kommt außerbörslich zu einer nennenswerten Kursbewegung. Wichtig ist in diesem Fall immer die Heimatbörse, da hier in der Regel auch das höchste Volumen umgesetzt wird (die meisten Marktteilnehmer handeln hier).

Ist ein Markt zudem nicht besonders liquide oder es kommt zu sehr rasanten Bewegungen, dann kann auch im Intraday-Handel eine Kurslücke (Gap) auftreten. Das passiert immer dann, wenn plötzlich ein besonders hohes Volumen gehandelt wird – also bspw. wenn ein Großinvestor bei einem Smallcap einen Einstieg wagt. Kommt bei diesem Einstieg eine Kauforder mit einem unnormal hohen Handelsvolumen und ohne Limit in den Markt, dann muss diese erst einmal abgearbeitet werden. Ist die Order so groß, dass direkt alle gegenüberliegenden Verkaufsorders gefüllt werden, kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell zu einem Ausreißer bzw. einer Lücke. Das ist je nach Markt aber eher selten.

Wie sehen Kurslücken aus?

Eine Kurslücke (Gap) entdeckt man im Chart an einem “leeren Raum” zwischen zwei Kerzen. Dies entspricht dem Kernbereich einer Kurslücke, welcher direkt auf den ersten Blick erkennbar ist. Bei einer näheren Beschäftigung mit dem Aufbau von Kerzen ist jedoch häufig zu sehen, dass die eigentliche Kurslücke noch deutlich weiter reichen kann: Vom Schlusskurs (Körper) des Vortages bis zum Eröffnungskurs (Körper) des nächsten Tages.

Welche Funktion haben Kurslücken?

Wie bereits aufgezeigt dienen Kurslücken (Gaps) als Widerstände bzw. Unterstützungen, wenn der Kurs erneut in die Region der Lücke eindringt. Sobald der “leere Kursbereich” dann erst einmal ausgefüllt wurde, verliert die Lücke an Wirkung, was aber nicht bedeutet, dass sie komplett irrelevant wird. Häufig wird eine Kurslücke (Gap) auch nicht vollständig geschlossen, sondern nur zu einem großen Teil. Ein Test des leeren Bereichs (von unten bei Abwärtskurslücken und von oben bei Aufwärtskurslücken) reicht also bereits aus, damit die Kurslücke ihre Wirkung entfaltet.

Neben dieser Funktion zeigen Kurslücken aber auch noch etwas anderes an, was noch wesentlich naheliegender ist: Auf welcher Seite des Marktes liegt aktuell die Stärke? Auf Seite der Käufer oder Verkäufer? Um diese Interpretation aber vollständig richtig vorzunehmen, sollte man die Unterschiede zwischen den Arten von Kurslücken kennen.

Klassifizierung von Kurslücken (Trading Gaps)

Breakaway Gap (Ausbruchslücke)

Die Breakaway Gap, auch Ausbruchslücke genannt, leitet mit einem Ausbruch (Englisch: Breakaway) einen neuen Trend ein und taucht somit am Anfang einer Trendbewegung auf. Im Optimalfall bleibt die Kurslücke (Gap) offen und wird nicht direkt wieder geschlossen – in diesem Fall ist die Wirkung des Kurssprungs und des Ausbruchs am stärksten.

Continuation / Runaway Gap (Fortsetzungslücke)

Die Continuation oder Runaway Gap wird auch Fortsetzungslücke oder genannt und taucht auf der Mitte einer Trendbewegung auf. Sie bestätigt somit die Kraft der vorherrschenden Richtung. Diese Art einer Kurslücke taucht ungefähr auf der Hälfte einer Trendbewegung auf und geht in Richtung des laufenden Trends. In einem Aufwärtstrend wird also eine Aufwärtsgap ausgebildet und in einem laufenden Abwärtstrend tritt eine Abwärtsgap auf.

Exhaustion Gap (Erschöpfungslücke)

Am Ende eines Trends taucht häufig eine Exhaustion Gap auf, welche zwar noch in Trendrichtung zeigt, aber direkt wieder geschlossen wird (muss nicht zwangsläufig am selben Handelstag geschehen). Es ist also ein klares Zeichen dafür, dass das Risiko für eine Trendumkehr hoch ist. Die Kraft in Trendrichtung lässt deutlich nach bzw. die Stärke der Gegenseite nimmt zu. Passenderweise nennt man diese Lücke deshalb auch Erschöpfungslücke, denn die Wahrscheinlichkeit für eine baldige Umkehr steigt.

Neigt sich also bspw. ein aufwärtsgerichteter Trend dem Ende, dann kommt es manchmal noch zu einer letzten Aufwärtsgap, die aber direkt in der nächsten Marktbewegung geschlossen wird. Im Folgenden wird in der Regel zumindest ein kurzfristiger Abwärtstrend etabliert bzw. das Risiko für diese negative Kursentwicklung ist hoch.

Common Gap (Gewöhnliche Lücke)

Neben den drei “besonderen” Kurslücken gibt es noch die gewöhnliche Kurslücke, welche keine weitere besondere bullische oder bärische Bedeutung für die weitere Kursentwicklung hat. Dazu zählen bspw. Kurslücken innerhalb einer Seitwärtsbewegung oder generell kleine Lücken, die überall auftreten können. Aktien eröffnen bspw. fast jeden Tag mit einer kleinen Kurslücke, aber diesen muss keine separate bullische oder bärische Relevanz zugesprochen werden sofern sie nicht in die zuvor beschriebene Klassifizierung passen. Eine geringfügige Abweichung des Eröffnungskurses vom Schlusskurs am Vortag ist also völlig gewöhnlich/common – wie der Name der Lücke schon sagt.

Inselumkehr

Ein besonders starkes Chartmuster stellt die Inselumkehr dar, welche gleich zwei Arten von Kurslücken verbindet: Exhaustion Gap und Breakaway Gap. Normalerweise bröckelt (im Aufwärtstrend) der Kurs nach einer Exhaustion Gap wieder ab und schließt die Aufwärtslücke anschließend wieder. Bei einer Inselumkehr bauen die Verkäufer jedoch direkt eine neue Abwärtsdynamik auf und beginnen den Abverkauf mit einer Abwärtslücke, der sogenannten Breakaway Gap. Dadurch bleibt ein Teil des Charts isoliert “in der Luft hängen” – die Insel. Das gesamte Chartmuster bzw. die Chartformation nennt man Inselumkehr.

Die Inselumkehr kann auch “umgedreht” auftreten in Form einer Bodenbildung. In diesem Fall ist die Exhaustion Gap eine Abwärtslücke und die Breakaway Gap eine Aufwärtslücke. Der Name der Chartformation bleibt identisch.

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Schlusswort

Kurslücken gehören an der Börse zu jeder vollständigen charttechnischen bzw. technischen Analyse dazu und sollten in ihrer Wirkung niemals unterschätzt werden. In diesem Zusammenhang lohnt es sich häufig deutlich aus dem Chart heraus zu zoomen und noch offene Gaps von vor Jahren zu berücksichtigen – auch heute sind es noch wichtige Kursbereiche. Mit der richtigen Klassifikation von Lücken kann das Studium eines Trends zudem besser eingeschätzt werden und Trading-Chancen ergeben sich. Mit verschiedenen Strategien kann man auf Basis von Kurssprüngen (also Lücken) dann Gewinne erzielen.

Euer Jan

Häufige Fragen zu Kurslücken/Trading Gaps

Es gibt diverse Ausarbeitungen zu diesem Thema, welche teilweise widersprüchlich sind. Tatsächlich wird ein großer Teil der Kurslücken, speziell der Abwärtslücken, am Aktienmarkt wieder geschlossen. Es ist aber kein Muss.

Ein Gap bzw. eine Kurslücke entsteht durch ein enormes Aufstauen an Käufer- oder Verkäuferkraft, sodass der nächste Kurs nicht an den vergangenen Kurs nahtlos anschließt. Meistens geschieht das deshalb außerhalb der normalen Börsenhandelszeiten und nicht im Intraday-Handel.

Ein Gap bzw. eine Kurslücke ist ein “leerer” Kursbereich, welcher im Handel praktisch übersprungen wurde. Dies ist auf eine höhe Kraft der Marktteilnehmer in eine Richtung zurückzuführen.

Auf Basis von Gaps gibt es viele verschiedene Trading Strategien, welche völlig verschieden sind, aber eben alle auf diesen “Ausreißern” im Chart basieren. Bei der Continuation Gap oder Inselumkehr werden bspw. Mindestkursziele für die weitere Kursentwicklung freigesetzt mit denen gut gehandelt werden kann. Es gibt aber auch Eröffnungsstrategien am Aktienmarkt (bzw. beim Index Trading), die sehr kurzfristig sind und auf Gaps basieren.

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Mehr Infos unter: https://chartsekte.de/haftungsausschluss/

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